Im Sprint zur Fabrik 4.0 – Blogreihe zum Industrienetzwerk
Die Digitalisierung bietet umfangreiche Möglichkeiten zur Optimierung der Wertschöpfungsprozesse, Steigerung der Effizienz oder flexibel anpassbare Produktions- und Personalkapazitäten. Allerdings verbinden viele Unternehmen, insbesondere kleinere und mittelständische, mit diesem Begriff einen unüberwindbaren Berg. Oftmals fehlt es ihnen an Erfahrungen, methodischem Know-how und passenden Hilfsmitteln, um diese Transformation systematisch anzugehen. Die Fabrik 4.0 ist aber kein Produkt, das man kaufen kann, sondern ein Transformationsprozess. Für den erfolgreichen Weg dorthin kommt es auf kleine, aber wirkungsvolle Schritte an. Und genau diese stellt das Fraunhofer IAO gemeinsam mit dem RKW Baden-Württemberg im Industrienetzwerk »Im Sprint zur Fabrik 4.0« vor.

Viele Industrieunternehmen haben zwar einen Digitalisierungsplan oder sogar schon erste Projekte umgesetzt, scheitern aber dann an der Herausforderung, die digitale Transformation hin zu einer Fabrik 4.0 im ganzen Betrieb umzusetzen. Der häufige Denkfehler dabei: Die digitale Transformation betrifft ausschließlich die technologische Perspektive. Weit gefehlt: Um die Transformation ganzheitlich angehen zu können, müssen weitaus mehr Dimensionen eines Unternehmens betrachtet werden wie organisationale und mitarbeiterbezogene Aspekte. Für eine erfolgreiche Umsetzung kommt es darauf an, alle Perspektiven in einem Zukunftsbild zusammenzuführen, was natürlich etwas Komplexität in die ganze Sache bringt. Welche handhabbaren Methoden brauchen Unternehmen also, um erfolgreich eine Fabrik zu transformieren?

In unserem Industrienetzwerk »Im Sprint zur Fabrik 4.0« gemeinsam mit dem RKW Baden-Württemberg geben wir schnell umsetzbare, auf den Mittelstand zugeschnittene Vorgehensweisen und bewährte Hilfestellungen an teilnehmende Unternehmen weiter. Unsere Erkenntnisse aus der ersten Phase möchte ich im Folgenden mit Ihnen teilen.

Future Boarding als effektive Methode zur Erstellung eines Zukunftsbilds

Zur Erstellung von Zukunftsbildern gibt es für produzierende Unternehmen aktuell leider wenig handhabbare Methoden und Vorgehensweisen, die sie im Betrieb anwenden und daraus einen Transformationsplan erstellen können. Ein solches Zukunftsbild ist jedoch extrem wichtig, da es Unternehmen eine Orientierung gibt, um daraus konkrete Initiativen und Projekte abzuleiten. Zur Berücksichtigung unterschiedlicher Standpunkte und Erfahrungen empfehlen wir deshalb, folgende Funktionen im Prozess mit einzubinden: Geschäftsführung sowie Führungskräfte aus der Produktion und produktionsnahen Bereichen, Digitalisierungsverantwortliche sowie Mitarbeitende. Die Erstellung des Zukunftsbilds erfolgt dann am besten gemeinsam in einem Workshopformat mit maximal fünf bis acht Teilnehmenden an einem Board.

Abbildung 1: Future Board in der Übersicht. (Quelle: Fraunhofer IAO)


Abbildung 1: Future Board in der Übersicht. (Quelle: Fraunhofer IAO)

In vier Schritten zum Zukunftsbild

Schritt 1: Gemeinsames Verständnis für Ausgangssituation schaffen

Dafür müssen folgende Fragestellungen beantwortet werden:

  • Wie ist das Geschäftsmodell des Unternehmens aufgebaut? Dazu notwendig ist eine grobe Beschreibung des Geschäftsmodells mit dem klaren Fokus auf die Kunden und darauf, welche Produkte wie hergestellt werden und wie daraus ein Mehrwert für das Unternehmen geschaffen wird.
  • Welche Bereiche im Unternehmen sollen durch das Zukunftsbild transformiert werden?
  • Welche Herausforderungen ergeben sich für den Bereich in Bezug auf Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit?
  • Welche Ziele sollen wie hoch priorisiert werden (bspw. Durchlaufzeit, Flexibilität oder Arbeitsattraktivität)?

Schritt 2: Verschiedene Betrachtungspunkte diskutieren

Im zweiten Schritt werden für Mitarbeitende, Organisation und Technologie jeweils die Ausprägung der unterschiedlichen Betrachtungspunkte diskutiert und bewertet. Jeder Bereich (bspw. Organisation) beinhaltet zehn Betrachtungsdimensionen, wobei jede Dimension durch zwei gegensätzliche Merkmale beschrieben ist, wie z. B. »persönlich« und »technologisch« (siehe Abbildung 2). Die Aufgabe besteht nun darin, für jede Dimension eine gemeinsame Bewertung zum aktuellen Ist-Zustand und angestrebten Soll-Zustand in fünf Jahren vorzunehmen.

Abbildung 2: Beispiel aus dem Bereich Mitarbeitende. (Quelle: Fraunhofer IAO)

Abbildung 2: Beispiel aus dem Bereich Mitarbeitende. (Quelle: Fraunhofer IAO)

Schritt 3: Priorisierung der Betrachtungspunkte

Aus unserer Erfahrung beschäftigen sich Unternehmen parallel mit sehr vielen tagesaktuellen und projektspezifischen Themen gleichzeitig. Wenn nun zusätzlich »on-top« alle 30 Betrachtungspunkte des Future Boards gleichzeitig in Projektinitiativen fortgeführt werden, mündet dies sehr schnell in einer Überforderung der Organisation: Die Unternehmen verlieren den Fokus auf die jeweilige Aktivität und die Geschwindigkeit in der Umsetzung.
Daher sollen in im dritten Schritt aus den zehn bewerteten Betrachtungspunkten pro Bereich die jeweiligen »Top 3« identifiziert werden. Die Unternehmen wählen hier entweder Punkte aus, bei denen ein sehr großer Unterschied zwischen Soll- und Ist-Bewertung vorzufinden ist, oder Themen, die aus der Diskussion heraus einen hohen Stellenwert aufweisen.

Schritt 4: Betrachtungspunkte präzisieren

Im finalen Schritt geht es darum, die priorisierten Betrachtungspunkte in einer Workshopgruppe gemeinsam zu präzisieren. Dies erfolgt nach einem festen Schema: Für das Unternehmen soll definiert werden, was dies konkret bedeutet und welche Transformationsaufgaben sich für diesen Punkt konkret ergeben (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Beispiel für Schritt 4 »Betrachtungspunkte präzisieren«. (Quelle: Fraunhofer IAO)

Abbildung 3: Beispiel für Schritt 4 »Betrachtungspunkte präzisieren«. (Quelle: Fraunhofer IAO)

Diese beschriebene Vorgehensweise hat mehrere Vorteile:

  • Partizipative Gestaltung eines gemeinsamen Strategie-Zielbilds für den ausgewählten Bereich schafft Verständnis und Zustimmung unter den Mitarbeitenden
  • Einordnung und Argumentationsgrundlage für aktuelle und zukünftige Projektinitiativen
  • Starker Vernetzungseffekt innerhalb des Unternehmens, insbesondere durch die Förderung bereichsübergreifender Kooperationen und Initiativen
  • Kooperative, gleichberechtigte und interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen heterogenen Stakeholdern

Wenn Sie noch mehr darüber erfahren möchten, was wir in unserer ersten Netzwerkphase an Erkenntnissen gewonnen haben und wie es ab Dezember in der zweiten Phase weitergeht, dann freue ich mich, wenn Sie an unserer Infoveranstaltung am 20.10.2022 teilnehmen. Mehr Infos dazu finden Sie in den Leselinks.

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Kategorien: Digitalisierung, Innovation
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