Die Europäische Kommission hat mit dem European Green Deal eine klare Vorgabe für die Erreichung der Klimaneutralität in Europa gemacht. Die Kosten dafür sind jedoch für viele Unternehmen weder transparent noch planbar und lösen nicht selten Verunsicherung aus. Ein stringentes, durchkalkuliertes Vorgehen zur Erreichung der Klimaziele ermöglicht Planbarkeit und zielführende Diskussionen – und könnte sogar dazu beitragen, mit geeigneten Technologien neue Märkte und Vorteile im Wettbewerb zu erschließen.

Klimaneutralität in der produzierenden Industrie – Warum ist Baden-Württemberg entscheidend?

Baden-Württemberg ist in Europa eine Region mit hoher Wirtschaftsleistung und hohem Industrialisierungsgrad. Damit verbunden ist eine gewisse Emissionsintensität, wodurch Baden-Württemberg auch für deren Reduzierung eine gewichtige Rolle zukommt. Das Land kann einerseits technologische Lösungen fördern, um Umweltauswirkungen aktiv zu adressieren. Andererseits müssen insbesondere produzierende Unternehmen proaktiv tätig werden, um mittel- bis langfristig einen Beitrag zur Schonung natürlicher Ressourcen sowie zur Reduktion anthropogener Klimaauswirkungen zu leisten. Die neuen, gesetzlichen bzw. politischen Rahmenbedingungen lösen jedoch gerade bei den produzierenden Unternehmen einen beträchtlichen Handlungsdruck aus.
Für viele ist bisher noch weitgehend unklar, welche konkreten Maßnahmen eingeleitet werden müssten. Eine Vielzahl an Technologien können einen Beitrag leisten. Welche davon sind wirklich zukunftsfähig und welche führen möglicherweise in eine Sackgasse? Diese Ungewissheit hemmt die Investitionsbereitschaft der Unternehmen bei Investitionsentscheidungen, weil eine verlässliche Grundlage zur Kalkulation von Chancen und Risiken derzeit nicht verfügbar ist.

Lösungsstrategien für Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit

Mit einer Roadmap-Studie »Klimaneutrale Produktion« wollen wir Unternehmen ermöglichen, mit einfachen Mitteln den eigenen Weg in die Klimaneutralität zu planen. Durch die Aufbereitung relevanter Informationen sollen Unternehmen befähigt werden, für sie geeignete Technologien zu identifizieren und eine Grundlage für die strukturierte Umsetzung zu schaffen. Wir möchten damit helfen, offene Fragen in Hinblick auf geeignete Produktionstechnologien weitestgehend zu beantworten.

Im interdisziplinären Team aus Expertinnen und Experten von Fraunhofer IAO, Fraunhofer IPA und den Instituten der Universität Stuttgart, dem Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) sowie dem Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP), arbeiten wir dafür an der Erfassung von Branchen und Technologien und deren Einordnung hinsichtlich der Relevanz für die Klimaneutralität Baden-Württembergs. Darauf aufbauend erfolgt eine tiefergehende Analyse, um die Klimarelevanz der eingesetzten und möglichen zukünftigen Produktionstechnologien zu ermitteln. Wir nehmen dabei bewusst die gesamte Produktion in den Fokus, um inselartige Maßnahmen zu vermeiden.

Die Betrachtung der aktuellen Situation in den Branchen sowie erwartete Entwicklungen unterstützen dabei, Handlungslücken zu identifizieren und entsprechende Empfehlungen abzuleiten. Mit der Studie sollen konkrete Handreichungen für produzierende Unternehmen bereitgestellt werden. Zusätzlich werden Handlungsempfehlungen für die Politik formuliert, um eine zielgerichtete Unterstützung der Erreichung der Klimaneutralität in Baden-Württemberg zu ermöglichen.

Handlungsfelder zur Erreichung der Klimaneutralität

Drei große Handlungsfelder definieren den Weg zur Klimaneutralität:

  1. 1) Im ersten Handlungsfeld gilt es, die Energieeffizienz weiter zu erhöhen. Dafür muss einerseits Transparenz über die Energiebedarfe/-verbräuche geschaffen werden und andererseits Maßnahmen zu besseren Energieausnutzung umgesetzt werden. Die Nutzung von Sekundärenergie, wie Abwärmenutzung für die Raumwärme oder in Prozessen, sorgt für weitere positive Impulse in der Energiebilanz. Die bessere Nutzung der Energie führt zu einer Reduktion des Bedarfs an Primärenergie, wodurch weniger Emissionen erzeugt werden. Es müssen weniger Anlagen zur Energieerzeugung errichtet bzw. weniger fossile Brennstoffe aufgewendet werden.
  2. 2) Sind die Energieeffizienzpotenziale ausgereizt, müssen emissionsintensive Energiebestandteile substituiert werden. Dazu werden fossile Energieträger durch erneuerbare Energieträger ersetzt, die klimaneutrale Energie zu erzeugen.
  3. 3) Da mit diesen beiden Handlungsfeldern nicht 100 Prozent der Emissionen eliminiert werden können, ist der dritte Schritt die Kompensation. Dabei wird untersucht, an welcher Stelle Kompensation wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist. Weiterhin werden Technologien so optimiert, dass sie bereits bei geringeren Emissionsmengen einen signifikanten Beitrag leisten können. Darüber hinaus wird zu diskutieren sein, welche Auswirkungen diese Aspekte auf die gesamte Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen im Wirtschaftsökosystem haben werden.
  4. Abbildung 1: Exemplarische Darstellung der drei Handlungsfelder für die Erreichung der Klimaneutralität in der Industrie. (Quelle: Fraunhofer IAO unter Verwendung Icograms)

    Abbildung 1: Exemplarische Darstellung der drei Handlungsfelder für die Erreichung der Klimaneutralität in der Industrie. (Quelle: Fraunhofer IAO unter Verwendung Icograms)

    Mitgestalten gibt einen Wissensvorsprung und sichert Ihre Wettbewerbsfähigkeit

    Wie profitieren Sie davon? Ich möchte Sie einladen, an der Studie für ganz Baden-Württemberg teilzunehmen und mit uns gemeinsam an den Klimalösungen Ihres Unternehmens zu arbeiten. In verschiedenen Formaten können Sie dafür Ihre Perspektive einbringen. Wir binden unterschiedliche Stakeholdergruppen ein, um deren Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Argumente gleichermaßen zu berücksichtigen. Im November 2023 werden die Ergebnisse auf dem Ressourcenkreislaufkongress des Landes Baden-Württemberg vorgestellt. Im Anschluss werden diese auch als Studie verfügbar sein, die für alle produzierenden Unternehmen in Baden-Württemberg zugänglich gemacht wird. Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmen damit befähigt werden, einen Investitionspfad zur Klimaneutralität in der unternehmenseigenen Strategie zu verankern, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und negative Auswirkungen auf die Umwelt weiter zu minimieren. Wir freuen uns darauf.

    Leselinks:

    Michael Hertwig

    Entwicklungsingenieur im Competence Team »Digital Engineering«. Er forscht daran, wie Prozesse durch digitale Unterstützung optimiert werden können und wie die Produktion in der Zukunft aussehen kann. In seiner Freizeit engagiert er sich als aktives Mitglied im Verein deutscher Ingenieure e.V.

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    Kategorien: Nachhaltigkeit
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