Der Kollege Roboter bekommt in der Produktion bereits heute Konkurrenz durch digitale Assistenzsysteme wie Tablet, Datenbrille und Co. Warum? Die Herausforderungen, die derzeit auf Unternehmen wirken, sind vielfältig: Demografischer Wandel, Diversity, Globalisierung, Anforderungen an Flexibilität, um individuelle Kundenwünsche und Liefertermine zu bedienen – das sind viele Dinge, auf die Mittelständler und Großkonzerne am besten schon gestern reagiert haben sollten. Hier versprechen sich Unternehmen oft viel von vermeintlichen Wundertools.

Doch welche Technologie passt zu den individuellen Herausforderungen eines Unternehmens? Um die komplexe Welt der digitalen Assistenzsysteme etwas zu ordnen, müssen wir diese zunächst einmal kategorisieren.

Unterstützungsbedarf ist abhängig von Mitarbeitertypen und Aufgaben

Wenn wir uns überlegen, was wir für Mitarbeiter haben, dann ist das ein gemischtes Bild. Da gibt es langjährige Mitarbeiter, die jedes Produkt kennen, jedes Problem schon einmal gelöst haben und die Besonderheiten jedes Prozesses und jeder Maschine kennen. Dann sind da neue, hochmotivierte Mitarbeiter, die aber in ihre Aufgaben eingeführt werden müssen. Und letztlich Aushilfen, die zum Beispiel kurzfristig eingestellt worden sind oder Kollegen, die eine andere Sprache sprechen. Und das ist nur ein kleiner Teil der facettenreichen Mitarbeiterprofile in einem Unternehmen. Gleichzeitig unterscheiden sich auch Arbeitsaufgaben stark. Passt hier also überall die gleiche Unterstützung? Ich glaube nicht. Wir müssen also unterscheiden, wie stark und wie wir neue Technologien einsetzen, um die Arbeit der Menschen zu verbessern, aber nicht zu ersetzen.

Grad der Assistenz – je nach Anforderungsniveau optimal unterstützen

Je nach Anforderungsniveau der Arbeit muss der betreffende Mitarbeiter unterschiedlich unterstützt werden. Grob lassen sich vier Stufen von Arbeitsanforderungen unterscheiden. Wie Assistenz dabei aussehen kann, ist hier kurz beschrieben:

Anforderungsniveau von Arbeitsaufgaben*

1. Niedrig: Systeme geben entweder reine Handlungsanweisungen für einfache Arbeitssituationen oder unterstützen die Ausführung von Bewegungen.

2. Mittel: Systeme können bei regelbasierten Entscheidungen mittlerer Komplexität unterstützen und Empfehlungen an den Nutzer kommunizieren.

3. Hoch: Systeme können bei regelbasierten Entscheidungen hoher Komplexität bzw. expertisebasierten Entscheidungen unterstützen und Empfehlungen an den Nutzer kommunizieren.

4. Variabel: Systeme können Handlungen und Entscheidungen unterschiedlicher Komplexität unterstützen bzw. auch regelbasierte kognitive Tätigkeitsbestandteile übernehmen.

*Anforderungsniveau von Arbeitsaufgaben (entsprechend einem Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales)

Funktionen der Assistenz – wie kann sie eingesetzt werden?

Die Beispiele in der Tabelle oben nennen nur eine Funktion von Assistenz, nämlich die Entscheidungshilfe, die solch ein System geben kann. Man kann hier aber noch tiefer gehen und weitere Unterscheidungen treffen, zu welchem Zweck digitale Assistenzsysteme wie Datenbrillen, Picking-Technologien oder Sensorik genutzt werden können:(Spath D., Braun M., Bauer W. (2009) Integrated Human and Automation Systems. In: Nof S. (eds) Springer Handbook of Automation. Springer, Berlin, Heidelberg)

  • Informationssammlung, z.B. Maschinendatensammlung
  • Lernen und Einüben, z.B. Schritt-für-Schritt-Lernvideos für Montagevorgänge
  • Entscheidungshilfe, z.B. Anzeige aktueller Produktionskennzahlen auf dem Tablet
  • Assistenz bei der Ausführung, z.B. Quittierung einzelner Arbeitsschritte
  • Initiierung von Prozessen, z.B. Entgegennehmen von Wartungsaufträgen per Smartwatch
  • Kontrolle, z.B. Zustandskontrolle über Sensoren

Einsatz von Assistenzsystemen – welchen Nutzen bringt er den Mitarbeitern?

Hierbei kann man unterscheiden, ob das Assistenzsystem kompensatorisch eingesetzt wird, das heißt, dass fehlende Fähigkeiten oder individuelle Defizite ausgeglichen werden, die für die Erledigung der Arbeitsaufgabe notwendig sind. Darüber hinaus gibt es den präventiven Einsatz, bei dem Assistenzsysteme vor allem auf die Ergonomie abzielen. Personalisierbare Arbeitstischhöhe und die passende Beleuchtung desselben sind Beispiele dafür. Zuletzt gibt es noch den fähigkeitserweiternden Einsatz, der vor allem die Aufgabenkomplexität oder der Handlungsspielraum erweitern soll.

Die Lücke zwischen Theorie und Praxis schließen: Nehmen Sie an unserer Studie teil!

Es lässt sich erkennen, dass sich in der Theorie viele Möglichkeiten ergeben, Assistenzsysteme einzusetzen. Sie befinden sich aber im starken Spannungsfeld zwischen Rationalisierung und Humanisierung. Die Vollautomatisierung scheint attraktiver zu werden, gerade hier am Standort Deutschland. Welchen Platz Assistenzsysteme heute und in der Zukunft in produzierenden Unternehmen einnehmen, wollen wir in einer Studie genauer beleuchten. In dieser Studie, die ich als Vertreterin des Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrums in Kooperation mit der memex GmbH leite, wollen wir herausfinden, wo Assistenzsysteme heute schon eingesetzt werden, was Unternehmen sich von ihnen erhoffen, aber auch, welche Hemmnisse derzeit bei denjenigen bestehen, die sich mit dem Thema befasst haben. Die Ergebnisse werden kostenlos auf der Webseite des Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrums veröffentlicht.

Jetzt wissen wir, welche Arbeitsaufgaben wie assistiert werden können, aber das allein reicht noch nicht. Wie steht der Mensch da? Welche ist seine Rolle und welche Rolle spielt das Assistenzsystem?

Ihre Meinung ist gefragt! Unterstützen Sie uns und nehmen Sie an der Befragung teil (Dauer ca. 20 min).

Zur Umfrage: https://websurvey.iao.fraunhofer.de/survey/index.php/512738

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Jessica Mack

Als Arbeitswissenschaftlerin erforscht sie die Möglichkeiten menschzentrierter Umsetzung von Industrie 4.0-Anwendungen im Produktionsumfeld. Auch privat steht bei ihr der Mensch im Mittelpunkt: Soziales Engagement und interkulturelle Kommunikation, besonders nach Asien, beschäftigen sie am Wochenende.

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